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Aus Liebe zum Volk - Der Film zur Stasi
26.04.2004
Ein Stasi-Major lässt 20 Jahre Tätigkeit im Dienste der Staatssicherheit Revue passieren. Diesen Monolog illustriert der israelische Regisseur Eyal Sivan in seinem Film "Aus Liebe zum Volk" mit nie gesehenen Aufnahmen aus der Gauck-Behörde: Schulungsfilmen, Mitschnitten von Verhören, Verhaftungen, Wohnungsdurchsuchungen. Ein Film über real existierende Kontrollfreaks aus dem Überwachungsstaat DDR und ein spannender Blick auf ein paranoides Regime.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser...
Jeder ist verdächtig
... das Motto im Überwachungsstaat. Die Stasi hielt den Alltag der DDR im Schach - alles "Aus Liebe zum Volk". So rechtfertigt sich ein Stasi-Mann an seinem letzten Arbeitstag im Februar 1990. Im Film fungiert er als unsichtbarer Erzähler, der selbst im Leierkastenmann den Staatsfeind vermutet.
Die Kirchengemeinde: verdächtig. Der Stasi-Mann: Ein Voyeur des Banalen. "Dieser Stasi-Offizier passt perfekt in das System", sagt Regisseur Eyal Sivan. "Das ist kein Extremist, kein Psychopath - sondern ein "Normalopath": Er kommt mitten aus der Gesellschaft." Seine Mit-Regisseurin fährt fort: "Sie wollten alles sehen - und sie sahen nichts. Es gibt all diese Totalen von den Demonstrationen, aber man kann niemanden darauf erkennen. Und der abgefilmte Alltag der Menschen: Wie langweilig und absurd ist das alles!"
Das Tagebuch des ausgedienten Stasi-Manns kombinieren die beiden Dokumentarfilmer mit bisher nie gesehenem Bild- und Tonmaterial. Erstmals hatten sie Zugang zum bisher verschlossenen Filmarchiv der Birthler-Behörde. Sie fanden Defa-Dokus, Stasi-Schulungsfilme, filmische Verhör-Protokolle und Amateurstreifen unbekannter Herkunft.
Abgründe deutscher Geschichte
Die Festnahme einer Familie - gefilmt von der Stasi? Die beiden Filmemacher, fasziniert von den Abgründen deutscher Geschichte, wollen mit ihrer Film-Collage beim Zuschauer Zweifel säen. "Unser Film ist für ein aktives Publikum gemacht, für Zuschauer, die angesichts dieser Bilder nachdenken und sich fragen: Was zum Teufel
zeigen die mir da? Welche Geschichte wird da erzählt", sagt Audrey Maurion.
"Das ist so ähnlich wie mit der Geschichte des Nationalsozialismus", meint Eyal Sivan. "Diese Erinnerungsarbeit muss getan werden um zu verstehen, wie eine so hoch entwickelte, gebildete - auch moralisch gebildete - Gesellschaft wie die deutsche solche Monster hervorbringen konnte."
Die Stasi war nicht nur Tschekisten-Folklore. Die Stasi ruinierte das Leben unzähliger Menschen. Und fast immer waren ihre Kameras dabei. Ein heimlich gefilmtes Verhör dokumentiert zum Beispiel die krankhafte Paranoia der Stasi, ihre enttäuschte "Liebe zum Volk": "Da sitzen sie auf Parkbänken und reden die Instabilität des Staates herbei. In den Kneipen beginnt der Prozess der Zersetzung. Noch ein Bier, ein Schnaps dazu... Wer ist schuld daran, dass ich saufe? Der Sozialismus! So sagen sie."
Methoden der Stasi noch immer aktuell
Misstrauen als System: Auch die Familie ist verdächtig. Die Schnüffler sehen alles und blicken in einen Abgrund von Banalität und Kleinbürgermief. Die Stasi ist Geschichte, aber ihre Methoden sind noch immer aktuell. Die Filmemacher ziehen auch Parallelen zum Sicherheitswahn nach dem 11. September 2001. Eyal Sivan: "In Frage steht auch unser Glaube an die Allmacht des Bildes. Die moderne Gesellschaft meint: Je mehr Fernsehkanäle, je mehr Bilder es gibt, je mehr wir sehen und kommunizieren, desto effektiver können wir Verbrechen verhindern. Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr wir sehen, desto weniger begreifen wir, was wirklich geschieht."
Am Ende zitieren Eyal Sivan und Audrey Maurion noch einmal den anonymen Stasi-Offizier: "Zur Stunde will uns niemand haben. Aber das kann sich von Tag zu Tag ändern. Wer könnte auf unsere Kenntnisse und Erfahrungen verzichten? Jeder Staat hat innere und äußere Feinde. Eines Tages werden wir wieder gebraucht."
Eine gespenstische Vision. Und ein höchst gegenwärtiger Film über die Illusion der Allwissenheit.